Zitiert aus „Schminke Maske Körperkunst“ Beat Frutiger, Zytglogge Verlag 1991 11
schon im frühen Kleinkindesalter eine Be-
malung als Schmutzigmachen immer wieder
verboten wurde. Kinder und Jugendliche ha-
ben oft eine starke Hemmschwelle, sich Ge-
sicht und Hände anzumalen.
Kunst
Wie vorher schon dargelegt, hat möglicher-
weise die bildende Kunst in der Körperbema-
lung ihren Ursprung. Seitdem tritt die Maske
immer wieder in Wechselwirkung mit künst-
lerischen Äusserungen. So finden wir sie im
Theater, im Film und bei der Fotografie. Mas-
ken haben Künstler oft beschäftigt, Parade-
beispiel dafür ist Picasso mit seinen „Demoi-
selles d‘ A vignon „. In der Moderne hat aber
dann auch die Körperbemalung immer mehr
einen wichtigen Stellenwert in der künstleri-
schen Gestaltung erhalten, im Happening.
So malte Yves Klein vor anwesendem Publi-
kum mit bemalten Frauen (lebenden Pinseln)
einen Teil seiner Bilder, „Antropometrien“ und
„Schweisstücher“.
Die Pop-Art Künstler malen auf ihren Bildern
eigentlich nur noch das, was beim Men-
schen Körperbemalung ist: gefärbte Haare,
geschminkte Augen, rote Lippen und die ge-
bräunte Haut, auf dersich deutlich die durch
den Bikini hell gebliebenen Stellen abzeich-
nen. Die oft serienmässige Herstellung der
Bilder unterstreicht den Verlust der Einmalig-
keit des Individuums, das sich für seine Rolle
zurechtgemacht hat. Bekanntestes Beispiel
sind Andy Warhols Siebdrucke von Marilyn
Monroe.
In den 60er und 70er Jahren wurde die Body-
Art im Happening wieder zu einer Art Ritus,
der nach anfilnglichen Versuchen mit Körper-
bemalung in der Selbstverstümmelung der
Künstler gipfelte, die zuweilen auch zum Tod
führte.
Davon hebt sich deutlich das Body-Painting
ab, bei dem, mit Ausnahmen, der Kürper als
zu verzierende oder zu bemalende Fläche
betrachtet wird. Oft wird nur für ein fotogra-
fisches Abbild gearbeitet, wobei der Körper
(aus dem richtigen Blickwinkel) zur Fläche
reduziert werden kann und das Bild auch nur
aus diesem Blickwinkel seinen Sinn erhält.
Die Integration in die Umgebung oder das
gänzliche Verschwinden im Hintergrund sind
beim Body-Painting häufige Themen (Lehn-
dorf Vera/Trüllzsch Holger, „Body Art“, Kohl-
hammer 1986). Dabei findet eine Art Tarnung
statt, und der Mensch wird wieder ein Stück
Natur. Ob damit das zu Beginn beschriebe-
ne gestörte Verhältnis zur Natur aufgehoben
werden soll?
Psychotherapie
Ich hatte schon öfter den Eindruck, dass das
Schminken für etliche Leute, die bei mir Mo-
dell waren oder die sich von mir bemalen
lassen wollten, einen therapeutischen Zweck
oder Nebeneffekt hatte. Vergegenwärtigen
wir uns den Zusammenhang einer Gesichts-
oder Körperbemalung mit der Auseinander-
setzung mit dem eigenen Körper und seinem
Aussehen und mit der Frage, welche soziale
Stellung man innehat oder einnehmen will,
wird klar, dass Probleme in diesem Bereich
sich durch vermehrtes Maskieren äussern
können. Im Volksmund kommt dies zumAus-
druck, wenn Leute meinen: “lch habe es nicht
nötig, mich so zurechtzumachen“. Dieser
Ausspruch meint doch eigentlich, dass Leu-
te, die sich besonders schminken oder auf-
fällig kleiden, Schwierigkeiten mit sich selbst
oder den Mitmenschen haben. Ich gehe da-
von aus, dass der Mensch sich oft die an-
gemessene Heilungsmöglichkeit unbewusst
selbst beschafft. Heute sind es vor allem
Beziehungsprobleme, die zu psychischen
Belastungen führen. Das Sich- Schminken-
Lassen ist in diesem Fall wahrscheinlich in
erster Linie eine Ausbruchsmöglichkeit, ein
Ventil, ähnlich wie wir es auch bei den Karne-
valsbräuchen finden. Karneval und Masken-
bräuche können ja als von der Gesellschaft
institutionalisierte Psychotherapie verstan-
den werden.
Ein Fall von Psychotherapie hat meine be-
sondere Aufmerksamkeit erregt und war
auch ausschlaggebend, dass ich mich mehr
und mehr mit den therapeutischen Faktoren
befasse. Eine junge Frau, die während län-
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12,13,14,15,16