Zitiert aus „Schminke Maske Körperkunst“ Beat Frutiger, Zytglogge Verlag 1991 5
Einführung
Der Mensch ist von einem unbändigen Ver-
langen getrieben, seine äussere Gestalt zu
verändern. In der Bibel als Folge des Sün-
denfalls beschrieben, steht dieseTatsache im
Zusammenhang mit dem Verhältnis, das der
Mensch zur übrigen Schöpfung hat. Durch
die Erkenntnis („von Gut und Böse“) wird ihm
bewusst, dass er aus der Ursprünglichkeit
herausgerissen ist, und er entfremdet sich
der Natur. Sichtbarer Ausdruck davon ist,
dass er sein natürliches Äusseres künstlich
verändert. Er ist darin einzigartig: Es gibt kein
anderes Lebewesen, welches im gleichen
Sinn und Ausrnass Wert auf seine äussere
Erscheinung legt. Mit Hilfe von Bekleidung,
Frisur, Verformung (z.B. des Schädels, der
Taille, der Füsse, durch Abmagern, Zuneh-
men, Body-Building usw.), Tätowierung und
Bemalung gestaltet der Mensch seine ihm
von der Natur gegebene Erscheinung völlig
neu und innerhalb eines Lebens immer wie-
der anders. Sein Gestaltungswille zeigt sich
demnach zuerst und vor allem an ihm selbst.
Der Mensch wird dadurch im eigentlichen
Sinn zu einem Kunst-Werk, entweder ganz
oder zum Teil zu seinem eigenen, dem eines
andern, einer Gruppe oder dem der Gesell-
schaft. Er vermittelt dadurch Botschaften und
enthüllt Eigenschaften, weit mehr als dass er
nur seine Blösse bedeckt und sein Wesen
verhüllt. In diesem weitergehenden Sinn wird
hier auch der Begriff“Maske“ verstanden.
Zitate
Wie man aus den vorangehenden Zitaten
sehen kann, ist Schminken, d.h. das Bema-
len des Körpers oder einzelner Körperteile,
eine sehr komplexe Tätigkeit. Vom medizini-
schen körperpflegenden Aspekt abgesehen
führt es zu einer Maskierung. Verallgemei-
nerndkann gesagt werden, dass Naturvölker
den Körper und das Gesicht stärker durch
Schminke, Tätowierung und Verformung
verändern. Mit zunehmender Ziviljsation
werden dazu auch Kleidung und Frisur in
den Vordergrund gerückt. Im Gegensatz zu
den übrigen Masken muss die Schminkmas-
ke immer wieder neu hergestellt werden,
sie wird aber für denselben Anlass immer
gleich beibehalten. Wie die Bekleidung ist
sie nur ein vorübergehender Eingriff in die
natürliche äussere Erscheinung. Deshalb
kommt ihr auch nicht dieselbe einschneiden-
de soziale Funktion zu wie beispielsweise
der Tätowierung. Schminkmasken gehören
wahrscheinlich zu den ersten Zeugnissen
und Äusserungen der menschlichen Kultur.
Sie finden Verwendung bei Kult und Ritus,
Spielen und Festen, sind Ausdruck der In-
dividualität und Persönlichkeit, der Rolle im
sozialen Gefüge, der Tarnung und darüber
hinaus des künstlerischen Schaffens.
Kultur
Die Herstellung von roter Ockerfarbe ist seit
40‘000 Jahren bekannt. In den folgenden
5‘000 Jahren ist aber kein Gebrauch doku-
mentiert, erst später findet man Venussta-
tuetten damit bemalt (z.B. Venus von Wil-
lendorff u.a.)(Müller-Karpe Hermann, „Das
vorgeschichtliche Europa“ Holle Verlag
1968). Daraus wird geschlossen, dass der
menschliche Körper der erste Träger über-
haupt einer Bemalung oder bildlichen Dar-
stellung war, dass die bildende Kunst auf der
menschlichen Haut ihren Anfang genommen
hat (Michel Thévoz). Die rote Ockerfarbe,
Symbol des Blutes, des Lebens und der
Fruchtbarkeit, wurde dabei bevorzugt. Tote
wurden in der jüngeren Altsteinzeit bei der
Bestattung mit roter Erde bestreut, und es
ist anzunehmen, dass schon viel früher die
Lebenden sich rot bemalt haben, vielleicht
schon vor 40‘000 Jahren, so, wie wir das bei
den tanzenden Mädchen der Nuba von Kau
sehen (Leni Riefenstahl, „Die Nuba von Kau“
List Verlag 1976). Die Anfänge des Schmin-
kens werden deshalb da zu suchen sein, wo
Erde, Blut, Beerensaft u.a. auf dem Körper
nicht als hässlicher Schmutz, sondern als
schöne Neugestaltung empfunden wurden.
Bei den Ägyptern (Ermann Adolf / Ranke
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